Reisebericht mit Route

Zauberhaftes Estland


Beruhigende Einsamkeit an traumhaften Stränden und entspannte City-Trips


August/September 2022


Reisedauer:


11 Tage in Estland (ohne An-und Abreise)


Reiseverlauf:


2 Tage Hinfahrt über Bautzen und Breslau (Deutschland und Polen) und den Nationalpark Biebrzanski Park Narodowy (Polen)


8 Tage Reise durch Litauen


12 Tage Reise durch Lettland



Tag 23 Stadtbummel durch Pärnu


Tag 24-25 Strandspaziergämge/Wanderungen bei Pärnu, Baden und Entspannen an traumhaften Stränden


Tag 26 Waldspaziergänge in der Nähe von Tallinn


Tag 27 Ausflug nach Helsinki (Finnland)


Tag 28 -29 Badespaß und Entspannung am nördlichsten Punkt des Baltikums (Lahemaa Nationalpark)


Tag 30-31 Wandern im Lahemaa Nationalpark


Tag 32 Stadtbummel durch Tallinn


Tag 33 Stadtbummel durch Tartu



5 Tage gemütliche Rückreise über Lettland, Litauen und Polen



Wanderungen:


Verschiedene Abschnitte auf dem europäischen Küstenwanderweg E9 (oder einfach so am Strand entlang ;-))

- Distanz ca. 8-12 km pro Tag

- Dauer ca. 3-4 Stunden pro Tag

- meist beschildert

- beste Reisezeit: Mai-Oktober

- leicht


Rundwanderung Käsmu im Lahemaa Nationalpark

- Start und Ziel: Parkplatz am Waldrand von Käsmu (ca. 1 km von der Bushaltestelle Käsmu entfernt)

- Distanz ca. 14 km

- Dauer ca. 6 Stunden 

- gut beschildert

- beste Reisezeit Mai - Oktober

- mittlerer Schwierigkeitsgrad (bei regnerischem Wetter können die Wege matschig und rutschig sein)

Hinweis: Auf der Halbinsel gibt es mehrere Rundwanderungen (verschiedene Distanzen), die alle gut beschildert sind


Unterkünfte:


Pärnu: Valgeranna Puhkekeskus

Tallinn: Caravanpark/Saunapark

Lahemaa Nationalpark: Lahemaa Camping

 freie Stellplätze


Geheimtipps:


Nicht-ganz-geheimer-City-Geheimtipp: Tallinn

Strand-Geheimtipp: alle!

Wander-Geheimtipp: Lahemaa Nationalpark

Camping-Geheimtipp: Lahemaa Camping

Tagesausflugs-Geheimtipp: Helsinki (Finnland) per Fähre

Shopping-Geheimtipp: Second-Hand-Läden in Tallinn

An-/Rückfahrts-Geheimtipp: Kaunas in Litauen


Vermeiden:


Vegetarische Gourmet-Enttäuschungen vermeiden: meist fleischlastige Küche (Ausnahme: Tallinn)

Temperatur-Enttäuschungen vermeiden: plötzliche und extreme Temperaturstürze möglich (täglich die Wettervorhersage checken)




Reiseziel Baltikum


So sehr wir unsere Heimat Stuttgart lieben, waren wir im Sommer 2022 bei der Auswahl eines Reiseziels auf der Suche nach einem Gegengewicht: neu und aufregend sollte es sein, mit ganz viel Ruhe und Natur. Schön wäre ein camping- und hundefreundliches Land, mit tollen Wanderwegen und am besten mit kulinarischen Highlights. Kompromisse muss man bei der Urlaubsplanung immer eingehen, aber bei einem Aspekt waren wir absolut nicht bereit Abstriche zu machen: Wir wollten im Urlaub endlose, entspannte Strand-Spaziergänge mit Nelly und Aila unternehmen.


Der Waldwanderweg E11 und der Küstenwanderweg E9 verlaufen beide quer durch Europa und enden in Tallinn, Estland. In den baltischen Staaten gibt es wunderschöne, unberührte Strände, charmante, weltoffene Städte und vor allem sehr wenig Touristen – perfekt für unser kleines Rudel. Wir entschieden uns also dazu, mit dem Wohnmobil über Polen durch die baltischen Staaten bis nach Tallinn zu fahren und dabei zwischen dem Küstenwanderweg E9 und Küstenwanderweg E11 hin und her zu pendeln – so zumindest der Plan.


Hinfahrt über Bautzen und Breslau


Auf der Hinfahrt wählten wir Bautzen in Deutschland und Breslau in Polen als kleine Zwischenstopps. Bautzen ist überschaubar und charmant – perfekt für einen Kaffee mit Kuchen und einen kleinen Stadtbummel. Breslau ist etwas größer und touristischer, aber unglaublich schön. Wahrscheinlich wäre etwas mehr Zeit in der quirligen Studentenstadt sinnvoll gewesen, um all die schönen, versteckten Ecken zu finden und das kulturelle Angebot zu genießen.

















Reise durch Litauen und Lettland


Litauen bildete unser Einstiegsland ins Baltikum und hat uns vom ersten Tag an umgehauen. Und auch in Lettland haben wir uns pudelwohl gefühlt. Wir haben uns sofort schockverliebt und genossen jede einzelne Sekunde an den endlosen, oft naturbelassenen Stränden, in den freundlichen Städten und auf den gemütlichen Campingplätzen direkt am Meer. 


Stadtbummel durch Pärnu


Unser erster Stopp in Estland führte uns nach Pärnu, der Sommerhauptstadt Estlands. Der Stadtkern von Pärnu ist idyllisch und überschaubar. Wir konnten unser Wohnmobil auf einem großen Parkplatz direkt am Zentrum abstellen und drehten die erste gemütliche Rudelrunde durch die kleine Hafenstadt. Dabei suchten wir uns den ersten Café-Spot aus, wo wir uns ein ausgiebiges Frühstück gönnten. Nach einer weiteren entspannten Runde durch Pärnu setzen wir uns direkt ins nächste Restaurant und genossen ein georgisches Mittagsmenü (Tipp: in allen baltischen Staaten haben wir immer wieder georgische Restaurants entdeckt und wurden nie enttäuscht!). Nach der dritten Runde durch das Städtchen schlenderten wir zurück zum Wohnmobil. So charmant Pärnu auch ist - nach ein paar Stunden hat man die Hafenstadt auch gut erkundet.









Strandspaziergänge bei Pärnu


Unser Campingplatz lag unweit von Pärnu in einem lichten Wäldchen direkt am Strand. Die Lage war einfach unfassbar schön: der weiße Sandstrand und der Schutz und Zauber des Waldes machen den Platz zu einem magischen Ort. Auf dem Campingplatz gibt es keine typischen Parzellen, sondern man sucht sich einfach ein passendes Plätzchen zwischen den hohen Bäumen. Ende August bei traumhaften Wetter waren nur eine Handvoll weitere Reisende auf dem Platz - der übrigens auch über viele Bungalows verfügt. Wir fühlten uns ein bisschen wie die Hauptfiguren in einem Märchen, die auf ihrer großen Reise durch ein freundliches, fernes Land ein paar Tage im Wald und am Ozean verbringen.


Der E9 verläuft in Estland nicht immer direkt am Strand, da die Küste von zahlreichen Feuchtgebieten mit Schilf, Auen, Lagunen und flachen Buchten geprägt ist. Aufgrund unserer traumhaften Lage und den paradiesischen Stränden haben wir gar nicht erst nach dem E9 gesucht, sondern sind einfach direkt vom Campingplatz am Strand entlang gelaufen. Die Wege sind immer wieder unterbrochen - von besagten Lagunen und Buchten. Meistens ist es möglich, kurzzeitig auf Spazierwege oder Landstraßen auszuweichen. Auch wenn es komfortabler ist, an endlosen Stränden entlang zu spazieren, haben der Schilf, die kleinen Buchten und Lagunen einen ganz besonderen Charme.













Der Strand nördlich von Pärnu ist perfekt zum Baden, entspannen und spielen: es gibt unendlich viel Platz, flache Badestellen und nur sehr wenige Strandbesucher. Außer uns vergnügte sich dort weit und breit nur eine weitere deutsche Familie mit einem fröhlichen Königspudel. Der lockige Familienhund tobte ausgelassen in den Wellen und schien ganz verrückt nach Wasser - was Nelly und Aila überhaupt nicht verstehen konnten ("Warum geht der freiwillig in das eklige, blöde Wasser?!?").


Mit den Hunden am Strand und in Cafés


Wie auch in Litauen und Lettland sind Hunde streng genommen an einigen Stränden in Estland nicht oder nur zu bestimmten Zeiten erlaubt. Praktisch sahen wir aber überall Hunde – meist mit Einheimischen. Nach und nach fanden wir heraus, dass Hunde zwar oft offiziell verboten, bei rücksichtsvollem Verhalten aber so gut wie immer geduldet sind. Solange man also keinen schlecht erzogenen Hund zur Hauptbadezeit über den Strand jagen lässt, hat man in der Regel keine Probleme.


Waldspaziergänge bei Tallinn


Nach einigen fabelhaften Tagen in unserem Wäldchen am Strand zog es uns Richtung Norden - wir wollten wieder Stadtluft schnuppern. Mit Helsinki hat man in Tallinn ganz praktischerweise eine weitere Metropole vor der Haustür.


Nelly und Aila waren noch nie auf einem Schiff und nach den zahlreichen, langen Fahrttagen und den vielen, vielen neuen Eindrücken wollten wir unsere beiden Zuckerhasen nicht mit ihrer ersten Fahrt auf einer Fähre stressen. Wir richteten uns also auf einem Campingplatz in der Nähe von Tallinn ein und pendelten abwechselnd alleine nach Tallinn (und von dort aus nach Helsinki). An unserem Ruhetag erkundeten wir mit Nelly und Aila die Wälder rund um die estnische Hauptstadt.


Ausflug nach Helsinki


Die Tickets für die Fähre nach Helsinki kann man ganz problemlos online kaufen. Aufpassen  muss man aber bei den Abfahrtszeiten: Ähnlich wie bei Reisen mit dem Flugzeug muss man für das Boarding ca. eine Stunde früher vor Ort sein.


Während der Hafen in Tallinn ganz praktisch und fußläufig vom Bahnhof liegt, ist der Hafen von Helsinki etwas außerhalb der Innenstadt. Wir haben uns einen der unzähligen Elektrorollern geliehen, die direkt an der Anlegestelle aufgereiht sind. In dem mäßigen Verkehr der finnischen Hauptstadt düsten wir damit stressfrei aber flott ins Zentrum.


Helsinki ist freundlich, offen und alternativ. Wenn die Stadt ein Mensch wäre, dann wahrscheinlich ein besonders Neugieriger. Helsinki hat viele Grünflächen, unzählige vegane Cafés und Restaurants, malerische Plätze und Straßen und vor allem die perfekte Größe, um alles zu Fuß zu erkunden.








Genauso kurz und knackig wie unser Trip nach Helsinki war, hier unsere Geheimtipps:


Mittagessen: Zucchini Vegetarian Café (gemütlich, günstig)

Nachmittag: in einem der unzähligen Bücherläden ein neues Buch kaufen (meine Beute: Every vow you break von Peter Swanson) und in einem gemütlichen Café mit einem Stück Kuchen direkt reinschmökern

Abendessen: Junk y Vegan (veganes Fast Food)


Lahemaa Nationalpark - Badespaß am nördlichsten Punkt des Baltikums


Nach dem Ausflug in die finnische Hauptstadt zog es uns zunächst an Tallinn vorbei und direkt wieder an den Strand. Am nördlichsten Punkt Estlands im Lahemaa Nationalpark standen wir auf dem wohl schönsten Campingplatz überhaupt: mit Stellplätzen direkt am Meer, überschaubar und familiär, Zugang zu einem wunderschönen Sandstrand und tollen Wanderrouten direkt in der Nähe. Die Besitzer waren zunächst reserviert aber freundlich und freuten sich über unser Interesse an dem Ort und estnischen Bräuchen. Sie tauten immer mehr auf und waren dann so herzlich und offen, dass wir am liebsten noch ewig geblieben wären und morgens beim ersten Cappuccino auf der Strandterrasse zwanglos mit ihnen gequatscht hätten.












Sie erzählten uns von der Nacht der Lagerfeuer, einer Tradition die aus dem Mittelalter stammt und in Estland immer noch am letzten Samstag im August gefeiert wird. Dabei werden am Ufer viele riesige Lagerfeuer entzündet und die Esten feiern, trinken und tanzen bis in die Nacht. Während die großen Feuer im Mittelalter noch die Funktion der Botschaftsübermittlung hatten, sind sie heutzutage lediglich Teil eines Festes, das traditionell das Ende des Sommers einläutet. An diesem Tag lohnt sich ein schöner Stellplatz mit Blick aufs Meer ganz besonders.


Und fast schon geisterhaft genau war der Sommer tatsächlich am 1.September schlagartig über Nacht vorbei. Als würde sich das baltische Wetter ganz strikt an den Zeitplan der Jahreszeiten halten. Während wir uns in den ersten (noch August-)Tagen aufgrund der Hitze auf morgendliche Strandspaziergänge beschränkt und dafür viele Badestunden genossen hatten, war jetzt die Zeit für längere Wanderungen.


Wandern im Lahemaa Nationalpark


Die Halbinsel Käsmu bietet wunderschöne Wandermöglichkeiten. Am Ortsrand des kleinen Dorfes Käsmu (einmal komplett durch den Ort durchfahren) gibt es einen Parkplatz mit einer Infotafel, auf der verschiedene Wander- und Spazierwege eingetragen sind. Die Wege haben alles, was man sich von einer Wanderung nur wünschen kann: Küstenpfade, Waldwege, traumhafte Blicke aufs Meer und absolute Stille und Einsamkeit.


































Nachdem wir den ersten Versuch, die große Rundwanderung zu unternehmen aufgrund eines Wespenstichs und einer dramatisch humpelnden Aila abkürzen mussten, kamen wir einen Tag später zurück und vollendeten diese tolle, vielseitige Wanderung. An beiden Tagen zusammen begegneten wir jeweils zwei weiteren Wanderpärchen und hatten die Küste und den Wald ansonsten ganz für uns alleine.


Stadtbummel durch Tallinn


Tallinn ist alternativ, lebendig (auch bei schlechtem Wetter) und symphathisch. In der Innenstadt findet man viele schöne Plätze, Cafés, Restaurants (Empfehlung: Vegan Restoran V) und Museen. Hier ist es etwas touristischer, aber trotzdem entspannt. Vor allem bei schlechtem Wetter kann man sich gemütlich in einen der Buchläden mit integrierten Cafés verkrümeln, Leute beobachten, Tee trinken und ein bisschen schmökern.












Ein kleines unentdecktes Juwel fanden wir überraschend am Balti Jaam - dem Hauptbahnhof von Tallinn. Der Markt vom baltischen Bahnhof ist authentisch, pulsierend und vielseitig. Wir stöberten uns durch unzählige Second-Hand-Läden, ergatterten dabei einige ganz besondere Schätze und tingelten dann von Imbissstand zu Imbissstand, wobei wir bei den vielen vegetarischen Angeboten die Qual der Wahl hatten.


Obwohl Tallinn keine spektakulären Sehenswürdigkeiten hat und kaum mit paradiesischem Wetter locken kann, haben wir uns Hals über Kopf in die Stadt verliebt. Tallinn hat uns vor allem mit seiner lockeren, bunten, abwechslungsreichen und freundlichen Stimmung eingenommen.


Stadtbummel durch Tartu


Es mag am regnerischen Wetter gelegen haben, aber Tartu überzeugte uns etwas weniger als der Rest des Landes. Dieses Urteil ist aber tatsächlich etwas unfair, da wir an diesem Tag mit Abstand das schmuddeligste Wetter der kompletten Baltikum-Reise hatten. Es fühlte sich so gar nicht mehr nach Sommer an, es war kalt und regnete ununterbrochen wie aus Eimern. Tartu ist eine nette, kleine Studentenstadt mit zahlreichen Museen, der ältesten Universität Nordeuropas und vielen Studentenkneipen. Anfang September war der Sommer in Tartu vorüber, die Student*innen aber noch nicht wieder zurück - die Stadt war dementsprechend ruhig und schläfrig. Natürlich kann diese Ruhe auch erholsam sein, wir trauerten aber noch immer der Lebendigkeit Tallinns nach.












Bei schönem Wetter kann man mit Sicherheit gemütlich durch die Fußgängerzone bummeln. Bei Dauerregen und höchstens 10 Grad flüchteten wir uns in eins der Einkaufszentren und deckten uns mit warmen Regenjacken ein.


Heimfahrt über Litauen und Polen


Estland ist ganz zauberhaft und es schmerzte dieses offene, aufregende, ruhige und gewaltig schöne Land verlassen zu müssen. Vor allem weil es so weit von Deutschland entfernt ist: Würden wir es bald wieder hierher schaffen? Wir versuchten trotzdem weiterhin, aufregende Ausflüge und entspannte Tage auf dem Rückweg einzubauen. Wir erkundeten die kleine lettische Stadt Cesis, fingen die letzten Sonnenstrahlen an der schönen litauischen Küste ein und bummelten durch Kaunas (Litauen) und Lodz (Polen).


Liebeserklärung an die baltischen Staaten


Ein Teil von uns kann es immer noch nicht glauben, dass Litauen, Lettland und Estland so naturbelassen, so friedlich, so gewaltig schön und gleichzeitig so unentdeckt sind. Warum fahren so viele Touristen an die immergleichen, überfüllten Strände in Italien, Kroatien und den Niederlanden, aber kaum nach Litauen, Lettland oder Estland? Eine kleine egoistische Stimme in unserem Kopf sagte uns immer wieder, nicht über diese Reise zu schreiben. Um diesen ultimativen Geheimtipp wirklich geheim zu halten. Aus Angst davor, die Magie könnte verloren gehen, wenn die baltischen Staaten mehr und mehr von Reisenden entdeckt werden. Das ist natürlich Quatsch (oder?). Es ist schwer vorherzusagen, wie sich der Tourismus im Baltikum entwickeln wird. Im Moment können wir uns kaum ein schöneres Reiseziel vorstellen. Nach unzähligen (gemeinsamen) Reisen und über 50 bereisten Ländern waren wir uns einig: unser Rudel-Roadtrip durchs Baltikum war die bislang schönste Reise, die wir je unternommen hatten.


*Namensnennungen - unbezahlt