Erfahrungsbericht

Das Abenteuer einen Hund zu adoptieren


Eine ganz besondere Reise


Unser kleiner Kobold Nelly wohnt bereits seit Herbst 2020 bei uns und ist trotz allen Herausforderungen und Hürden eine unglaubliche Bereicherung in unserem Leben. Mit ihrer lustigen, frechen, unabhängigen aber auch sanften Art zaubert sie uns jeden Tag ein Lächeln auf die Lippen (und manchmal auch ein strenges Runzeln auf die Stirn).


Wir spielten schon länger mit dem Gedanken einen zweiten Hund zu adoptieren oder uns zumindest als Pflegestelle, also vorübergehendes Zuhause für Hunde aus Tierheimen, anzubieten. Nachdem sich unser Leben mit Nelly nach über einem Jahr gut eingependelt hatte und es mit der Erziehung – abgesehen von einigen pubertären Aussetzern – ziemlich gut lief, entschieden wir uns, im Winter 2021 einen Blick auf die Seite der Tierschutzorganisation „Vergessene Pfoten Stuttgart“ zu wagen. Und da war sie: ein kleines schwarzes Zottelchen, das sich verzweifelt mit den riesigen, patschigen Vorderpfötchen an eine Tierpflegerin klammerte. Aila.
















Ohne überhaupt weiter zu klicken oder zu suchen, meldeten wir uns sofort bei der Vermittlerin, mit der wir auch bei Nellys Adoption schon in Kontakt waren. Keine 2 Stunden später war klar, dass Aila eine Woche später – kurz vor Weihnachten – vorläufig bei uns einziehen würde. In uns machte sich ein Gefühl der Vorfreude aber auch Respekt vor der neuen Herausforderung breit.


Wichtig ist es an der Stelle zu sagen, dass unser Impuls Aila als Pflegehund aufzunehmen zwar sehr spontan war, die Gesamtentscheidung aber lange und wohl durchdacht war. Bei einer so weitreichenden Entscheidung sollte das auch immer unbedingt so sein – nichts ist schwieriger und stressiger für Tierschutzorganisationen als Pflegestellen oder Adoptant*innen, die kurzfristig wieder abspringen oder später merken, dass ein Hund nicht in ihr Leben passt.


Wie auch Nelly kam Aila mit einem Transporter und ca. 10 weiteren Hunden aus einem völlig überfüllten Tierheim in Rumänien. Bereits einige Tage vor ihrer Ankunft erhielten wir und alle anderen Pflegestellen und Adoptant*innen ausführliche Infos, was wir für die Ankunft der kleinen Fellnasen planen und beachten sollten. Obwohl wir durch Nellys Einzug bereits gut gewappnet waren, gab es uns ein gutes Gefühl, weiterhin von „Vergessene Pfoten Stuttgart“ begleitet zu werden. In den Tagen des Wartens fühlten wir uns ein bisschen wie Kinder am Tag vor Weihnachten: voller nervöser und freudiger Erwartung. Und wenn wir Aila in der Hektik des Alltags für ein paar Momente vergaßen, tapste sie flink wieder in unsere Gedanken und löste eine kribbelige Vorfreude aus.


Am Tag ihrer Ankunft bekamen wir stündliche Updates, fuhren um die Mittagszeit vor lauter Aufregung dann aber viel zu früh los. Unsere Nervosität war unbeschreiblich – man holt schließlich kein Geschenk, Auto oder Möbelstück ab, sondern ein kleines, wundertütiges Lebewesen.


Unser erster Blick in den Transporter erstickte für einen kurzen Moment alle Freude. Der Anblick der vielen verängstigten Fellnasen war herzzerreißend – ihr Hundeleben war bislang geprägt von trostloser Langeweile, lautem Stress oder beängstigender Unsicherheit – oder womöglich allem zusammen. Der Satz einer Tierheim-Mitarbeiterin, die ein weinendes Hundemädchen tröstete bleibt mir bis heute im Gedächtnis: „Jetzt wird alles besser, du Kleine.“  Hoffentlich wird das für viele Fellnasen aus den Tierheimen wahr…


Unser erster Blick auf Aila ließ uns das Herz aufgehen: als schwarzes, zotteliges Riesenbaby  saß sie etwas breitbeinig im Froschsitz in ihrem Käfig und schlabberte frech durch die Gitterstäbe. Es dauerte keine 10 Sekunden und sie hatte ihren Spitznamen: Froschi.













Obwohl Aila erstmal gar nicht schüchtern wirkte, weinte sie die komplette Heimfahrt bitterlich. Sobald wir ihre Gitterbox öffneten, tapste sie dann neugierig und interessiert heraus. Es war ein schönes und dankbares Gefühl, dass Aila uns sofort ein kleines bisschen Vertrauen schenkte – bei vielen Hunden dauert das sehr viel länger.


Der erste Tag mit einem neuen Hund besteht aus tausend kleinen Hürden, die man nach und nach nimmt. Nachdem wir unseren Frosch abgeholt und aus der Box genommen hatten, stand das erste Kennenlernen mit Nelly an. Im Nachhinein betrachtet war das wohl das wichtigste und heikelste Hindernis. Was wenn die beiden sich nicht verstanden hätten? Wenn Aila für Nelly eine Bedrohung dargestellt und sie gestresst hätte? Oder andersrum? Nach einem kurzen Beschnuppern auf neutralem Boden, akzeptierte unser Kobold den neuen kleinen Frosch in unserer Wohnung – wenn auch noch etwas skeptisch.


Die ersten Stunden und Tage bestanden dann aus ganz viel Ruhe und Knuddeln (was für viele andere Hunde am ersten Tag bestimmt auch noch zu früh ist) und einem gelegentlichen, vorsichtigen Erkunden der Umgebung. Unsere ersten Spazierrunden waren nur ein paar Schritte in den nächsten Park und wieder zurück, um Aila mit den vielen neuen Eindrücken nicht zu überfordern.


Für Aila war die erste Nacht bestimmt die schlimmste. Sie weinte viel, war unruhig und schaute sich ständig um. Suchte sie ihre Welpenfreunde? Oder die Tierpflegerin von dem Bild? Oder hatte sie Angst vor Feinden? Obwohl unser Frosch sich sehr schnell eingewöhnte, sind die ersten Tage und Nächte strapazierend: der Hund schläft unruhig, man rennt ständig raus „aufs Klo“ und vor allem macht man sich viele, viele Gedanken und Sorgen. Fühlt der Hund sich wohl? Ist er gesund? Hat er alles was er braucht? Versteht er sich mit dem anderen Hund? Wir arbeiteten an der Stubenreinheit, begannen ganz langsam mit der grundlegenden Erziehung und lernten Aila nach und nach besser kennen.


Es war spannend und aufregend jeden Tag ein bisschen mehr von Ailas eigenwilliger Persönlichkeit kennenzulernen. Einige Meilensteine, die wir mit Nelly ewig nicht erreicht hatten, lernte Aila sehr schnell, während sie andere Dinge gruselig fand, denen Nelly gar nie Beachtung geschenkt hatte. Mit einigen Verhaltensweisen fühlten wir uns kurzzeitig überfordert, weil wir uns schlicht noch nie damit beschäftigen mussten und waren ein um das andere Mal froh, eine tolle Hundetrainerin an unserer Seite zu haben. Besonders hat es uns geholfen, das Gefühl der Überforderung auch mal zuzulassen – so sehr es auch schmerzt.  Es macht uns nicht zu schlechten Hundeeltern oder einem dysfunktionalen Rudel, wenn wir nicht auf jedes Problem sofort eine perfekte Lösung finden.


Wir entdeckten die Potentiale und Glücksquellen des kleinen Frosches, ebenso wie die Baustellen an denen in der Erziehung besonders gearbeitet werden müssen. Bei einer Rudelzusammenführung wechseln sich Glücksmomente mit Härtetests ab: wie schön es sich anfühlte als Aila uns erste kleine Vertrauensbeweise erbrachte und ihren kleinen Körper bei einer vermeintlichen Gefahr ganz fest an uns drückte und wie verzweifelt wir waren, als sie uns bei der lautstarken Verteidigung „ihrer“ Wohnung gar nicht mehr beachtete.


Natürlich möchte man an der Stelle gerne mal vorspulen und empfindet den Prozess als mühsam. Selbst Nelly wurde das ein oder andere Mal ungeduldig mit ihrer neuen kleinen Schwester und hat sie ordentlich zusammengepfiffen.  Um geduldig zu bleiben, half es uns, daran zu denken, dass Aila uns nicht mit Absicht ärgerte. Hinter jedem „unerzogenen“ Verhalten steckt zunächst mal ein Bedürfnis, eine Wahrnehmung oder ein Gefühl des Hundes und man muss Schritt für Schritt eine gemeinsame Sprache und Basis finden. Wie bei jeder großen Reise gibt es dabei zauberhafte Highlights und trübe Tage. Lustigerweise war es genau so ein trüber Moment (ein zerkauter Schuh und ein zerrupftes Buch in wenigen unbeobachteten Minuten) in dem uns klar wurde, dass Aila still und heimlich in unser Herz getapst war und nun unweigerlich zu unserem Rudel gehörte.


„Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Aila jemals wieder auszieht.“


Die bürokratischen Hindernisse waren schnell und unkompliziert genommen: als Pflegestelle hatten wir Vorrang bei der Vermittlung von Aila. Nach einigen weiteren Tierarztbesuchen (eine furchtbare Zitterpartie: hoffentlich geht es ihr gut!), Informationen, Formularen und einem Vertrag gehörte Aila offiziell zu unserem 4er-Rudel.













Natürlich folgten noch viele trübe Momente, riesige Hürden, Rückschläge und verzweifelt-strenge Stirnrunzler. Aber mindestens 100-mal so viele lustige, knuddelige Quatsch-Frosch-Momente, die wir niemals missen möchten.

Ein Hund ist dein Wegbegleiter, mit dem du durch dick und dünn gehst, mit dem du den Alltag meisterst und besondere Erlebnisse (wie Reiseabenteuer) genießt. Ein treuer Freund, der mit allen seinen tollen Stärken und kleinen Makeln bei der größten und spannendsten Reise – dem Leben – immer an deiner Seite steht.

 

 

„Hast du jetzt endlich fertig geschrieben und wir können was spielen? Am liebsten das wilde Fangspiel, bei dem immer meine Ohren schlattern!“


„Ich spiel auch mit! Aber lieber das mit dem Dummy…“